In der Saadabad-Palastanlage schliddern Elaheh und ich durch den Schnee von einem beeindruckendem Moment zum nächsten. Die Anlage liegt im Norden Teherans, diente den qajarischen Königen (die Dynastie der Kadscharen begann 1779) als Sommerresidenz und wurde in den 20er Jahren vom Shah Reza Pahlavi als Wohnsitz sowie für Empfänge genutzt. Sein Sohn setzte dies in den 70ern fort, doch im Zuge der islamischen Revolution 1979 wurde sie zum Museum umfunktioniert.
Wir beginnen unsere Besichtigung mit dem Grünen Palast, der seinerzeit als Wohnhaus des Shahs diente. Von außen ist das Gebäude eher unscheinbar, sein Name rührt wohl von der grünen Marmorverkleidung her, die nicht so ins Auge sticht. Dafür ist man umso überraschter, welch Prunk einem beim Eintreten entgegen strahlt. Nachdem wir angewiesen werden, uns Schutzumzüge über die Schuhe zu ziehen, erkennt man mich als ausländische Besucherin und räumt mir von sich aus ein, dass ich Fotos machen dürfe, obwohl es üblicher Weise nicht gestattet ist.
Ich bin nicht sonderlich geübt darin, mich für touristische Sehenswürdigkeiten zu erwärmen, kann mich aber recht schnell nicht gegen eine gewisse Ehrfurcht wehren, als mir die Räumlichkeiten entgegen funkeln. Wände sowie Decken bestehen oftmals vollständig aus filigranem Spiegel-Mosaik und die Gardinen sind aus Gold gewebt. Bei einem Blick auf die Kronleuchter stelle ich mir vor, wie sich das Licht der damaligen Kerzen wohl in den unzähligen kleinen Spiegel-Elementen gebrochen hat.
Hier mal einer Exkurs zu Shah Reza: Ich hatte zunächst bei meinen Erlebnisberichten auf Facebook behauptet, er wäre ein enger Buddy Hitlers gewesen. Das war eine Hören-Sagen-Info. Inzwischen bin ich mir nicht ganz so sicher, ob das nicht vielmehr Gerüchte sind, die darauf Bezug nehmen, dass er 1935 dem Völkerbund mitteilte, Persien fortan Iran zu nennen – was sich mit „Land der Arier“ übersetzen ließe (das alte Farsi-Wort Aryan bedeutet „der Edle“, „Sohn von Reinem“). Dies könnte theoretisch den Bezug zum Hitler-Reich herstellen, doch eigentlich gab es wohl keine enge Verbindung zwischen dem Iran und dem Deutschen Reich. Eher nimmt der Ausdruck Bezug auf eine indogermanische Bezeichnung, die nur in Persien und Indien belegt ist und später von Hitler als „Herrenrasse“ vereinnahmt wurde. Es kam auch nicht selten vor, dass man mir im Iran mit dem Satz begegnete: “Wir sind übrigens auch Arier!” Ist ein Thema für sich, das ich sicherlich noch einmal aufgreifen werde.
Als nächstes besuchen wir den weißen Palast. Er war dereinst vornehmlich für Empfänge gedacht und verfügt über 54 Räume auf einer Fläche von 5000 qm! Davor stehen die riesigen bronzenen Reitstiefel Reza Schahs, das Überbleibsel einer immens überlebensgroßen Statue (ich kann mir kaum vorstellen, wie riesig sie gewesen sein muss) sowie ein Denkmal des mythischen Helden Kay Arasch. Der Legende nach wollten die Turanier die Iraner demütigen, indem sie anboten, man möge einen Pfeil abschießen, der die Grenze zwischen dem Iran und Turan bestimmen sollte. Prinz Arasch bat den Gott Ahura Mazda um Hilfe und in dem Moment verschmolz seine Seele mit dem magischen Pfeil – sein Körper fiel zu Boden und starb, während der Pfeil über das kaspische Meer 2500 km in die Steppe flog, die fortan als Region der Grenze zwischen den Völkern galt. Arasch wird sehr verehrt, gilt als Held der iranischen Mythologie und taucht auch in Schriften Zarathustras auf.
Ich bin beeindruckt von all den internationalen Reichtümern, Errungenschaften und Meisterwerken alter Zeiten, die sich in diesem Palast türmen. Alleine die Perser-Teppiche bedecken in einem Ganzen so viele Quadratmeter, dass es die Überlegungen sprengt, wie die wohl hergestellt wurden. Etwas irritiert bin ich von einem Massagestuhl – er muss der erste seiner Art gewesen sein und er steht in Teheran, im Schlafgemach einer Frau. Interessant.
Abschließend besichtigen wir das Museum der schönen Künste. Ausgestellt werden Gemälde aus den Epochen vom 17. bis zum 20. Jahrhundert. Als Elaheh einen Anruf bekommt, streife ich zunächst alleine von Werk zu Werk. Ein Mädchen spricht mich auf Englisch an, wo ich her käme, an ihrer Seite ihre kleine Schwester. Ich beantworte ihre Fragen gerne und werde von ihr so sehr ins Herz geschlossen, dass ich keinen Schritt mehr alleine tue. Ihr kleine Schwester redet in Farsi auf mich ein und die große Schwester erklärt ihr immer wieder, dass ich sie doch gar nicht verstehe, übersetzt aber dennoch das Grobe. Ich hab zwei kleine Schatten und bin gleichermaßen verzückt von diesen süßen Mäusen wie auch etwas hilflos, weil sie mich so anstrahlen und ich gar nicht weiß, womit ich das verdient hab. Schließlich will ihre Mama gehen und die große Schwester gibt noch einmal alles: „Enjoy your time here! You are so welcome! Thank you very much!“ Sie strahlt mich an und geht nur widerwillig. Ich hätte sie knuddeln können, obwohl ich immer noch nicht weiß, womit ich sie so glücklich gemacht habe.
Elaheh und ich streifen noch lange durch die Bildergalerie. Ich bin beeindruckt von der Bandbreite alter und modernerer persischer Malkunst und nicht selten bleiben wir lange vor einzelnen Werken stehen. Besonders faszinieren mich die Gemälde des Malers Kamal-Ol-Molk, der als Wegbereiter moderner persischer Kunst gilt. Je näher man vor seinen Bildern steht, desto mehr kommt es einem vor, unscharf zu sehen. Es ist sein Stil, der eine besondere Weichheit ausmacht und doch im Ausdruck umso stärker wirkt. Hier ist sein Selbstporträt zu sehen.
Und doch – so wunderschön die Ausstellung ist, haben die beiden süßen Mäuse den heimlichen Höhepunkt des Besuchs für sich gewonnen. 😉
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