Nach einer langen Pause löse ich nun endlich das Versprechen ein, meinen nächsten Eintrag den persischen Dichtern zu widmen, deren Mausoleen ich besuchte.
Ein Reisender mit Worten voller Wärme
Saadi lebte Anfang des 12. Jahrhunderts und ging als herausragender persischer Dichter und Mystiker in die Geschichte ein. Er wurde in Shiraz geboren, und das ihm gewidmete Grabmal hält sein Andenken an einem äußerst atmosphärischen Ort vor den Stadtmauern wach.
Als alter Mann kehrte er in seine Geburtsstadt zurück, nachdem er viel umherreiste, z.B. in den Jemen, nach Syrien, Palästina, Anatolien, Ägypten und Indien. Seine gewonnen Eindrücke jener Reisejahre ließ er in Kurzgeschichte und Gedichte einfließen. Dabei gelten seine Werke „Duftgarten“ (Bustaan) und „Rosengarten“ (Gulistan) als besondere Schätze, die reich an Weisheiten, Humor und erfrischender Herzenswärme sind. Sie behandeln Themen wie Gerechtigkeit, Mitgefühl, Hilfe für Bedürftige, Tyrannen, die sich selbst mit Schmach beladen, und das Geschick der Unterdrückten.
Ein von Karl Heinrich Graf (1846) übersetztes Zitat Saafis schmückt den Eingang der Halle der Vereinten Nationen in New York :
Die Menschenkinder sind ja alle Brüder
Aus einem Stoff wie eines Leibes Glieder
Hat Krankheit nur einzig Glied erfasst
So bleibt anderen weder Ruh noch Rast
Wenn anderer Schmerz dich nicht im Herzen brennt
Verdienst du nicht, dass man noch Mensch dich nennt.
Goethes Inspirations-Quelle
In etwa ein Jahrhundert später wird mit Hafis ein Dichter und Mystiker der persischen Wortkunst ebenfalls in Shiraz geboren, der seinen Ehrennamen der Tatsache zu verdanken hat, bereits im Kindesalter den gesamten Koran auswendig gelernt zu haben: Hafis = „der (den Koran im Gedächtnis) Bewahrende“. Über sein Privatleben ist wenig verlässlich dokumentiert, doch seine Größe als Lyriker der persischen und arabischen Sprache – zu Lebzeiten wie danach – sticht hervor. Allein die riesige und wahrlich wunderschöne Grabmal-Anlage zu seinen Ehren sowie der große Besucherzustrom sprechen für sich.
Bekannt wurde seine Dichtung in Europa mit der Übersetzung des Diwan, u.a. durch den Orientalisten Joseph von Hammer-Purgstall, die wiederum Goethe zu seiner Version des west-östlichen Diwan inspirierte. Hafis’ sprachlicher Bilderreichtum ist der islamischen Mystik entnommen und thematisiert oft das Ineinandergreifen von Alltag und Ewigkeit.
So stammt von Hafis folgender Vers aus einer der Ghaselen (lyrische Gedichtform), die vermutlich mit der Feder von Friedrich Rückert (ca. 1822) übersetzt wurde:
Er sagte: Nimm die Dinge leicht, denn von Natur aus
Macht die Welt es den Menschen schwer, die sich schwer abmühen.
Können wir nicht alle daraus etwas mitnehmen? Das Gute kommt zu denen, die damit rechnen – und nicht mit dem Gegenteil. Oder anders gesagt: Begegne den Dingen mit Leichtigkeit in deinem Herzen, sie werden sich dir in eben jenem Licht zeigen, das du auf sie wirfst.
Gelebte Worte …
Immerhin: Auf diese Weise gelangte ich in den Iran und gewann eine Freundin, die mir ewig im Herzen bleiben wird. Ich hatte einfach nur den stillen Wunsch, eines Tages den Iran zu bereisen. Stattdessen plante ich im Frühling 2016 wiederholt einen Aufenthalt in Istanbul. Beide Vorhaben wurden – nebenbei gesagt – von anderer Seite mindestens mit einem Stirnrunzeln aufgenommen. In Kadiköy setzte sich schließlich im Restaurant eine liebe Person neben mich. Man kam ins Gespräch … und ohne groß darüber nachzudenken, stieg ich ein halbes Jahr später in den Flieger, um wiederum diesem Menschen in die Arme zu fliegen, den ich bis dahin kaum kannte und der mich wie selbstverständlich in sein Leben aufnahm, ohne deutlich mehr über mich zu wissen.
Jetzt kennen wir uns beide besser als manch jemand, der unseren Alltag begleitet. Wir haben es leicht genommen und ganz viel gewonnen.