How to cross a main road … Augen zu und durch
Ich hole euch mal kurz ab: Wir sind in Teheran und wollen an einem Zebrastreifen eine Hauptstraße überqueren. Dazu habe ich das passende Statement eines persischen Taxifahrers parat: „Well, sometimes we stop.“ Ja, manchmal. Aber eigentlich lieber nicht. 😉 Da der Smog heute besonders intensiv über der Stadt hängt, fühle ich mich ohnehin ein wenig betäubt. Um mich herum hustet es auch gewaltig. Der Lärm knatternder Moped-Horden, das unübersichtliche Gewusel und die ungewohnte Szenerie tauchen mich in einen Moment, den ich so in Worten gar nicht wiedergeben könnte. Spontan wende ich mich an meinen Begleiter Ruhola mit der Bitte, er möge mich hinüber führen und für uns die Augen aufhalten, damit ich das Ganze filmisch festhalten kann. Sein Blick sagt alles: „Erst will sie U-Bahn fahren und jetzt das!“ Aber er willigt ein. Fast zählen wir stumm einen Count-Down, ehe wir uns aufmachen.
Ich bin mir auf der anderen Straßenseite angekommen nicht sicher, ob ich nicht gerade auch ein bisschen Schiss weg gelacht habe, nachdem mir die Autos fast über die Zehen gefahren sind.
Lost in Translation
In der Zwischenzeit hat sich Ruhola mit seiner Schwester verabredet. Sie ist Restauratorin von Kunstwerken und wir treffen sie nach ihrem Feierabend, um gemeinsam eine Teilstrecke zurückzulegen, ehe mich das Taxi weiter zum Krankenhaus bringen soll, in dem Elaheh gerade ihren Vater besucht. Als sie sich unterwegs verabschieden und mich alleine weiterschicken, fühle ich mich kurzfristig etwas verunsichert, da ich keine Prepaid-Card für den Iran und somit keine Möglichkeit habe, selbst mit Elaheh Kontakt aufzunehmen. Mir bleibt nur, zu hoffen, dass mich der Taxifahrer auch wirklich richtig abliefert – denn verständige Gespräche sind leider null möglich und mir wird immer schwummeriger. In meinem Kopf klopfen kleine Hämmerchen. Also entschließe ich, einfach darauf zu vertrauen, dass schon alles klar geht. Das tue ich für gut 1,5 Stunden, denn Teherans Straßen sind endlos überfüllt.
Schließlich hält der Taxifahrer an einem Gebäude, das durchaus als Krankenhaus durchgeht. Ich muss noch ein bisschen warten, aber dann entdecke ich Elaheh mit ihren Schwestern und der Mutter. Wir gehen zusammen etwas essen, da alle den halben Tag im Krankenhaus zugebracht haben. Ich bin immer noch maximal gesättigt von meinem Mittagsmahl, aber Elas Mutter besteht darauf, dass ich ihr Essen probiere. Das tue ich gerne, befinde es als sehr lecker und erfahre erst dann, dass ich gerade Lammzunge gegessen habe. Okay, why not? Ich finde es durchaus positiv, wenn wirklich alle Teile eines Tiers gegessen werden, so es denn schon für unsere Nahrungsaufnahme sterben musste. Und an dieser Stelle kann ich ja noch (gemäß meiner Gewohnheiten) froh sein, wenn es nicht landestypisch in Gänze Kopf oder Füße sind.
Der wichtigste Teil dieses Tag ist aber folgender: Der Vater hat die OP gut überstanden und es geht aufwärts! Die Erleichterung ist allen anzumerken und bin sehr froh, sie lachen zu sehen.
Die kreative Szene Teherans
Der nächste Programmpunkt des Tages gehört nun Matin, Elahehs Mann. Er ist Teil eines Film-Produzenten-Teams und lädt uns ein, deren neuen Standort zu besichtigen. Erst kürzlich haben sie ein ansehnliches Haus bezogen, das recht prominent auf einem Hügel thront und wir werden herzlich vom ganzen Team willkommen geheißen. Nach der ersten Vorstellungsrunde setzen wir uns bei Tee im Social-Room zusammen und tauschen uns querbeet aus. Alle sind sehr aufgeschlossen, freuen sich über die kleine Abwechslung im Arbeitstag und natürlich kommt das Gespräch auch recht schnell wieder darauf, was mich in den Iran zieht. Ein Kollege von Matin verrät mir, dass er zunächst dachte, ich sei Perserin, als wir hineinkamen, da ich ganz typisch wie eine gekleidet sei. Mich irritiert der Einwurf etwas. Ich höre das zum ersten Mal und fühle mich ansonsten eigentlich auf Anhieb als Europäerin “identifiziert”. Kurz überlege ich, ob es eine Art von Kompliment sein soll, mich den Gepflogenheiten gut angepasst zu haben, verwerfe den Gedanken aber wieder und tippe auf Smalltalk. Zu viel mehr kommen wir auch gar nicht mehr, da es spät geworden ist und wir gerne weiterziehen wollen. Matin hat schon etwas für uns geplant, also machen wir uns auf den Weg.
Er führt uns in sein Lieblings-Café. Es liegt abgeschieden in einer Seitengasse Teherans. Von außen kaum als solche erkennbar, betrete ich eine wunderschöne Enklave kreativer Gelassenheit – eine Mischung aus Bücherladen, Café und angeschlossenem Theater sowie einem ausgesuchten Angebot handgemachter Kleinkunst. Ich komme nicht umhin, Ohrringe zu kaufen, die in der Form von Derwischen mit einem kleinen Türkis versehen sind und bekomme einen Kalender hinzu geschenkt, der in persischer Kalligraphie die Monate aufführt.
Im Hinterhof versammeln sich Kreative der Szene: Schauspieler, Schriftsteller und Künstler. Es ist zwar kalt, aber es wird mit zahlreichen Heizstrahlern dafür gesorgt, dass alle draußen sitzen können. Ich frage meine Gastgeber, ob hier wohl so eine heimliche Ecke sein könnte, wo sich alle treffen, aber sie lachen nur: „Jana, glaubst du das wirklich noch? Du solltest es längst besser wissen. Im Iran gibt es NICHTS, das irgendwie am Regime vorbeigehen könnte. Auch hier nicht. Sie wissen alles!“ Und ja, ich fühle mich sofort naiv, überhaupt auf so einen Gedanken gekommen zu sein.
Aber ich fühle mich hier auch sehr wohl. Die Gesellschaft ist bunt, ich begegne offenen Blicken und im Hintergrund läuft angenehme Musik – mal Klassik, mal Traditionelles, mal Singer-Songwriter-Sound in allen möglichen Sprachen. Wir bestellen uns u.a. Schokokuchen und Tee. Als ich meine Kanne bekomme, werden mir auch gleich noch für mein Tee-Glas die entsprechenden Zugaben mitgeliefert – eine Knospe, ein kleines Stück Zimtstange usw. Jedes Detail, das den Geschmack meines Tees ausmachen soll, wird auf einer Serviette einzeln dargereicht. Und tatsächlich machen die Zugaben meinen Tee gleich noch aromatischer.
Teheran bei Nacht
Als wir uns auf den Weg nach Hause machen, sehe ich viele Lichterketten und verstehe nicht ganz, woher die auf einmal kommen. Die Erklärung ist einfach: Der Geburtstag Mohammeds steht an! Bei uns zuhause bereiten sich alle auf den Geburtstag von Jesus (Weihnachten klopft bald an) vor und hier ist eben der Prophet nach ihm viel wichtiger. Nur, dass dafür kein Geschenke-Marathon in Gang gesetzt wird.
Letztlich kommen wir noch am Wahrzeichen Teherans vorbei – der Freiheitsturm. Da es mir nicht möglich ist, ihn im Vorbeifahren abzufotografieren und man hier auch nicht einfach aussteigen kann, dreht Matin eine Extra-Runde für mich, damit ich den Turm wenigstens filme. Netter Weise liefert er dazu gleich noch ungefragt einen Soundtrack mit und ja, der ist Türkisch. Das ist regional und historisch nicht weiter verwunderlich, soll aber ein anderes Mal näher erklärt werden.
Zuhause angekommen wird Musik angeworfen, Tee gekocht und gepackt, denn morgen fliegen Elaheh und ich nach Shiraz … ich freu mich schon darauf, euch auch dahin mitzunehmen!